Eintrag in der Universitätsbibliographie der TU Chemnitz
 
Volltext zugänglich unter
URN: urn:nbn:de:bsz:ch1-qucosa2-987803
 
Sogemeier, Denise
Krems, Josef F. (Prof. Dr.) ; Brandenburg, Stefan (Prof. Dr.) (Gutachter) 
 
The Interplay of Anthropomorphism, System Performance, and Culture on Attitude Formation Toward In-Vehicle Voice Assistants
Das Zusammenspiel von Anthropomorphismus, Systemperformanz und Kultur auf die Einstellungsbildung gegenüber Sprachassistenten im Fahrzeug
Kurzfassung in deutsch
Sprachassistenten im Fahrzeug erleichtern die Interaktion mit Infotainment-Systemen und tragen dadurch sowohl zum Komfort als auch indirekt zur Fahrsicherheit bei. Diese Vorteile lassen sich jedoch nur realisieren, wenn Fahrer Sprachassistenten aktiv und nachhaltig nutzen. Eine zentrale Voraussetzung für eine solche Nutzung ist eine positive Einstellung gegenüber der Technologie. Im Bereich Human Factors stehen Forschung und Entwicklung daher vor der Herausforderung, zu verstehen, wie solche Einstellungen – insbesondere Vertrauen, Akzeptanz und User Experience (UX) – entstehen und gezielt beeinflusst werden können. Diese Fragestellung gewinnt im globalisierten Automobilmarkt zunehmend an Bedeutung, da Sprachassistenten den unterschiedlichen Erwartungen von Nutzern in verschiedenen kulturellen Kontexten gerecht werden müssen. Vor diesem Hintergrund untersucht die vorliegende Dissertation die Einstellungsbildung zu Sprachassistenten in der Mensch-Maschine-Interaktion anhand einer Reihe von Studien in realen Fahrzeugen und Fahrsimulatoren auf drei Kontinenten mit insgesamt N = 406 Probanden. Zunächst wurde analysiert, ob sich internationale Nutzergruppen in ihren Einstellungen (Selbstbericht) gegenüber einem Human-Machine-Interface (HMI) im Fahrzeug sowie in ihrem Interaktionsverhalten (beobachtbares Verhalten) unterscheiden. Die untersuchten Nutzergruppen aus China, Deutschland und den Vereinigten Staaten zeigten Unterschiede sowohl in ihren Einstellungen als auch in ihrer Interaktionsleistung. Dabei wurde die jeweilige kulturelle Prägung als zentraler Erklärungsfaktor angenommen. Diese Erkenntnisse bildeten die Grundlage für weiterführende Untersuchungen und mündeten in der Entwicklung eines konzeptionellen Rahmenmodells, das auf etablierten Modellen basiert und eine strukturierte Analyse der Einstellungsbildung in der Mensch-Maschine-Interaktion ermöglicht. Das Modell identifiziert drei zentrale Einflussfaktoren: erscheinungsbezogene, leistungsbezogene und nutzerbezogene Faktoren. Zur empirischen Überprüfung wurde je ein repräsentativer Faktor aus jeder Kategorie ausgewählt: die anthropomorphe visuelle Gestaltung und die Reaktionslatenz des Sprachassistenten (erscheinungs- und leistungsbezogene Faktoren) sowie der kulturelle Hintergrund der Nutzenden (nutzerbezogener Faktor). Diese Auswahl basierte auf Erkenntnissen aus anderen Forschungsbereichen wie der Human-Computer Interaction und Human-Robot Interaction, in denen die Auswirkungen von Anthropomorphismus, Reaktionszeiten und kulturellen Einflüssen umfassend untersucht wurden. Um das Zusammenspiel dieser Faktoren auch im Kontext der Fahrer-Fahrzeug-Interaktion systematisch zu untersuchen, wurden zwei Fahrsimulatorstudien in China und Deutschland durchgeführt. Die Haupterkenntnisse waren, dass (1) die Reaktionslatenz einen universellen Einfluss auf Vertrauen, Akzeptanz und UX hatte: Kürzere Latenzen führten in beiden Kulturen durchweg zu höheren Bewertungen hinsichtlich Vertrauen, Akzeptanz und UX. Hingegen erwies sich (2) die Wirkung der anthropomorphen Gestaltung als kulturabhängig. In der deutschen Stichprobe beeinflusste Anthropomorphismus das Vertrauen in die Technologie nur bei einer langen Reaktionslatenz; in diesem Fall bevorzugten Probanden sowohl die nicht-anthropomorphe als auch die stark anthropomorphe Variante. Bei kurzer Latenz hatte die anthropomorphe Gestaltung hingegen keinen Einfluss auf das Vertrauen. In der chinesischen Stichprobe wurde der stark anthropomorphe Sprachassistent unabhängig von der Latenz durchweg positiver bewertet. Darüber hinaus zeigte sich (3) ein kulturabhängiger Einfluss auf die pragmatischen UX-Qualitäten, also funktionale Aspekte wie Effizienz: Während chinesische Probanden den stark anthropomorphen Sprachassistenten als effizienter und durchschaubarer wahrnahmen, beurteilten deutsche Probanden diese pragmatischen Qualitäten unabhängig von der visuellen Gestaltung. Im Gegensatz dazu zeigte die anthropomorphe Gestaltung hinsichtlich der hedonischen UX-Qualitäten – also emotionalen und erlebnisbezogenen Aspekten – keine kulturellen Unterschiede: In beiden Kulturen wurde die stark anthropomorphe Gestaltung als ansprechender und innovativer bewertet. Ein weiteres Ergebnis dieser Arbeit ist, dass (4) Anthropomorphismus kein 'Allheilmittel' darstellt. Eine schrittweise Erhöhung der anthropomorphen Gestaltung führte nicht durchweg zu einer Verbesserung der UX, sondern verringerte im deutschen Kontext sogar das Vertrauen in die Technologie. Schließlich wurde deutlich, dass (5) kulturelle Unterschiede nicht nur die Einstellungen selbst, sondern auch die Priorisierung der Einflussfaktoren auf Akzeptanz beeinflussen: In Deutschland beeinflussten weder Latenz noch anthropomorphe Gestaltung die Akzeptanz direkt, sondern ausschließlich über Vertrauen. In China hingegen hatte die Latenz einen direkten Einfluss auf die Akzeptanz. Dieser Kontrast deutet auf kulturell unterschiedliche Mechanismen in der Einstellungsbildung hin. Die theoretische Relevanz dieser Arbeit liegt in der Weiterentwicklung des Verständnisses zur Einstellungsbildung in der Mensch-Maschine-Interaktion, insbesondere durch die Untersuchung des Zusammenspiels von systembezogenen und nutzerbezogenen Faktoren im interkulturellen Kontext. Der praktische Beitrag besteht einerseits in der Ableitung von Designempfehlungen für Sprachassistenten und andererseits in der Weiterentwicklung methodischer Ansätze für interkulturelle Forschung. Diese Dissertation bildet eine Brücke, die das theoretische Verständnis von Nutzereinstellungen mit deren praktischen Umsetzung verknüpft. Die Arbeit leistet so einen Beitrag zur Entwicklung von Sprachassistenten, die die vielfältigen Bedürfnisse und Erwartungen eines globalen Nutzerkreises berücksichtigen.
Kurzfassung in englisch
In-vehicle voice assistants (IVVAs) can enhance the interaction with in-vehicle infotainment systems, thereby improving both convenience and indirectly contributing to driving safety. However, these benefits can only be realized if drivers actively engage with IVVAs and integrate them into their driving routine. A key determinant of such engagement is a favorable attitude toward the technology, making it essential to understand how these attitudes – specifically trust, acceptance, and user experience (UX) – are formed and how they can be aligned with individual preferences. This need becomes particularly relevant in an increasingly globalized automotive market, where manufacturers must accommodate the diverse expectations of users across different cultural contexts. To address this issue, the present dissertation presents a series of studies conducted in real vehicles and driving simulators across three continents, involving a total of N = 406 participants. First, this dissertation investigated whether attitudinal and behavioral differences exist between international user groups when interacting with automotive human-machine interfaces (HMIs). The findings confirmed differences in both self-reported attitudes and interaction performance, positioning culture as a key explanatory factor. These insights provided the foundation for further investigations, which led to the development of a conceptual framework grounded in established models, providing a structured approach to understanding attitude formation in human-machine interaction. The framework delineates three critical categories of influencing factors: appearance-related, performance-related, and user-related factors. To systematically examine the interplay of these factors within the context of IVVAs, one representative factor was selected from each category: system’s anthropomorphic appearance, system’s response latency, and users’ cultural background. Building on this foundation, two driving simulator studies conducted in China and Germany explored how anthropomorphic appearance, response latency, and cultural background interact in shaping user attitudes towards IVVAs. The main outcomes were that (1) response latency was a universal determinant of trust, acceptance, and UX, with shorter response times consistently leading to more positive evaluations across both cultural groups. However, (2) the effects of anthropomorphic appearance were culture-dependent. In Germany, anthropomorphism only influenced trust when response latency was long, with non- and high anthropomorphic designs preferred over low anthropomorphic ones. In contrast, Chinese participants consistently favored high anthropomorphic IVVAs, regardless of response latency. Considering UX (3), anthropomorphic appearance influenced UX pragmatically in a culture-specific way, while Chinese participants perceived high anthropomorphic IVVAs as more efficient and dependable, German participants evaluated pragmatic UX independently of visual appearance. In contrast, the effects on hedonic qualities were universal. Eventually, (4) anthropomorphism is not a “ quick fix ”, as incremental increases in anthropomorphic appearance did not lead to significant improvements in UX and, depending on cultural context, could even diminish trust. Finally, the results highlighted that (5) cultural differences emerged in how attitudes are prioritized: In Germany, trust was central to the acceptance process, whereas in China, response latency retained a direct effect on acceptance, indicating differing mechanisms of attitude formation based on cultural affiliation. The theoretical contribution of this dissertation lies in advancing the understanding of attitude formation in human-machine interaction. Beyond the development of design recommendations for IVVAs, the practical contribution extends to the refinement of methodological approaches for cross-cultural research. Taken together, this dissertation bridges the gap between understanding user attitudes and advancing the development of IVVAs that cater to diverse needs and preferences of a global, culturally diverse audience.
| Universität: | Technische Universität Chemnitz | |
| Institut: | Forschergruppe Allgemeine Psychologie und Arbeitspsychologie | |
| Fakultät: | Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften | |
| Dokumentart: | Dissertation | |
| Betreuer: | Krems, Josef F. (Prof. Dr.) | |
| DOI: | doi:10.60687/2025-0154 | |
| SWD-Schlagwörter: | Psychologie , Mensch-Maschine-Kommunikation , Fahrsimulator | |
| Freie Schlagwörter (Deutsch): | Mensch-Maschine-Interaktion , Sprachassistent , Anthropomorphismus , Latenz , Kultur , Einstellungsbildung | |
| Freie Schlagwörter (Englisch): | Human-Machine Interaction , Voice Assistant , Anthropomorphism , Latency , Culture , Attitude Formation | |
| DDC-Sachgruppe: | Psychologie | |
| Sprache: | englisch | |
| Tag der mündlichen Prüfung | 13.08.2025 | |
| OA-Lizenz | CC BY-NC-SA 4.0 |