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Universitätsbibliographie

Eintrag in der Universitätsbibliographie der TU Chemnitz

Volltext zugänglich unter
URN: urn:nbn:de:bsz:ch1-qucosa2-835375


Reineboth, Magdalena
Strobel, Anja (Prof. Dr.) ; Wegge, Jürgen (Prof. Dr.) (Gutachter)

Entwicklung eines Situational Judgment Tests im Kontext moralischen Entscheidens und Handelns


Kurzfassung in deutsch

(Un)Moralisches Verhalten in Organisationen ist ein komplexes Phänomen. Besonders relevant ist hierbei die ethische Kompetenz von Fach- und Führungskräften. Ethische Kompetenz bedeutet, dass Personen sich in einer gegebenen Verantwortungssituation dem eigenen moralischen Standpunkt verpflichtet fühlen und bewusste Entscheidungen unter Berücksichtigung ökonomischer, ökologischer und sozialer Handlungsfolgen treffen und nachfolgend danach handeln. Unternehmen profitieren von Personen, die ethisch kompetent handeln, da unmoralisches Verhalten zur nachhaltigen Schädigung der Reputation einer Organisation und zu monetären Verlusten führen kann. Daher sollte moralisches Entscheiden und Handeln in der Personalauswahl und -entwicklung berücksichtigt werden. Für deren Umsetzung bedarf es einer wissenschaftlich fundierten, realitätsbezogenen und validen Erfassung moralischen Entscheidens und Handelns. Dafür eignen sich Situational Judgment Tests (SJT), da diese eine Simulation realitätsnaher und berufsbezogener Situationen ermöglichen. SJTs sind eignungsdiagnostische Mischverfahren, die hypothetische Situationen in vollstandardisierter Form vorgeben und als Antwort die Auswahl einer oder mehrerer Handlungsmöglichkeit(en) oder die Bewertung der Angemessenheit dieser Handlungsmöglichkeiten erheben. Sie sind für verschiedene eignungsdiagnostische Bereiche, wie Selektion in Personalauswahlprozessen, Selbstselektion und -reflexion für berufliche Entwicklung und Trainings einsetzbar.
Das Anliegen der Dissertation bestand daher in der Entwicklung eines Situational Judgment Tests im Kontext moralischen Entscheidens und Handeln, um diesen als reliables und valides Instrument in Personalauswahl und -entwicklungsprozessen einsetzen zu können.
Die Entwicklung und Validierung des SJTs wurde mit insgesamt sechs Studien umgesetzt. In Studie 1 wurden auf Basis von Interviews mit Führungskräften und Mitarbeitenden des Gesundheitssektors 127 Situationsbeschreibungen (Itemstämme) abgeleitet. In Studie 2 erfolgte die Generierung einer umfassenden Menge an realitätsnahen und breit gefächerten Verhaltensweisen (Antwortoptionen) für die Situationsbeschreibungen durch N = 351 Personen. Studie 3 widmete sich der Effektivitätsbestimmung der Antwortoptionen nach der empirischen Festlegung mit den Kriterien Voice-Verhalten, Moral Courage und Silence mit zwei Stichproben berufstätiger Personen (N1 = 208; N2 = 544). Ein zehn Items umfassender Testentwurf wurde in Studie 4 an N = 93 Berufstätigen überprüft und validiert. Zur konvergenten Validierung dienten Moral Courage und selbstberichtete Zivilcourage am Arbeitsplatz, für die Kriteriumsvalidierung wurden Voice-Verhalten und Silence genutzt. Die psychometrischen Eigenschaften des Testentwurfs fielen unzureichend aus. Dies zeigte sich darin, dass die Items eher leicht zu beantworten und nicht ausreichend trennscharf waren sowie aufgrund einer niedrigen internen Konsistenz nicht zu einer Skala zusammengefasst werden konnten. Nur wenige der zehn Items erfüllten die Anforderungen an die Konstrukt- und Kriteriumsvalidität. Somit erfassten die Items nicht gleichermaßen moralisches Entscheiden und Handeln über verschiedene moralisch relevante Situationen.
Zur Verbesserung der Güte des SJTs wurde in Studie 5 die Effektivität der Antwortoptionen theoriegeleitet vorgenommen. Zur Effektivitätsbestimmung wurde das Stufenmodell moralischer Entwicklung von Kohlberg (1984) herangezogen, bei welchem das Motiv hinter einer Handlung für die Beurteilung der moralischen Urteilsfähigkeit entscheidend ist. Basierend darauf wurde mit Studie 6 das Ziel verfolgt, einen Testentwurf aus zehn Items zu überprüfen und zu validieren. Die Überprüfung der konvergenten Validität mit den moralverwandten Merkmalen Empathie, Ungerechtigkeitssensibilität und Zivilcourage am Arbeitsplatz erfolgte an einer Stichprobe von N = 89 Personen. Die psychometrischen Eigenschaften des Testentwurfs fielen unzureichend aus. Dies zeigte sich darin, dass die Items eher leicht zu beantworten und nicht ausreichend trennscharf waren. Aufgrund einer niedrigen internen Konsistenz konnten die Items nicht zu einer Skala zusammengefasst werden. Nur wenige der zehn Items korrelierten hypothesenkonform mit den moralverwandten Persönlichkeitsmerkmalen. Somit wurde mit den Items nicht gleichermaßen moralisches Entscheiden und Handeln über verschiedene moralisch relevante Situationen erfasst.
Die Ergebnisse der Validierungsstudien weisen darauf hin, dass moralisches Entscheiden und Handeln in moralisch relevanten Situationen mit einem Situational Judgment Test nur eingeschränkt erfasst werden kann. Dies zeigte sich darin, dass keine akzeptablen Werte für Reliabilität und Validität für den SJT erreicht werden konnten. Es war nicht möglich, die Komplexität und Mehrdimensionalität moralischen Verhaltens fundiert mit einem standardisierten Verfahren abzubilden.
Alternativ können die Situationsbeschreibungen des SJTs als Ausgangspunkt für strukturierte Interviews genutzt werden. Zudem können valide Items zur Förderung und zum Training ethischer Kompetenz in Organisationen eingesetzt werden, um unmoralischem Verhalten in Organisationen entgegenzuwirken.

Universität: Technische Universität Chemnitz
Institut: Professur Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik
Fakultät: Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften
Dokumentart: Dissertation
Betreuer: Strobel, Anja (Prof. Dr.)
URL/URN: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:ch1-qucosa2-835375
SWD-Schlagwörter: Testkonstruktion , Eignungsdiagnostik
Freie Schlagwörter (Deutsch): Situational Judgment Tests , simulationsorientierte Verfahren , ethische Kompetenz , (un)moralisches Verhalten
Freie Schlagwörter (Englisch): Situational Judgment Tests
DDC-Sachgruppe: Psychologie
Sprache: deutsch
Tag der mündlichen Prüfung 30.01.2023
OA-Lizenz CC BY-SA 4.0

 

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