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Universitätsbibliographie

Eintrag in der Universitätsbibliographie der TU Chemnitz


Hartwig, Marcel
Keitel, Evelyne (Prof. Dr.), Ickstadt, Heinz (Prof. Dr.)

Die traumatisierte Nation?: "Pearl Harbor" und "9/11" als kulturelle Erinnerungen


Kurzfassung in deutsch

Die Anschläge vom 11. September 2001 brachen als unerwartetes Ereignis in unseren sozialen Alltag ein. Ihre Repräsentationen rufen bis heute auf gesellschaftsweiter Ebene heftige Gemütsregungen hervor – so dass mit dem „11. September“ heute niemand mehr nur ein bloßes Datum meint. Präsident Bush sprach nach den Anschlägen bereits vom Krieg gegen den Terror und schon am darauf folgenden Tag war die Rede vom „Pearl Harbor des 21. Jahrhunderts“.
Es ist überraschend, dass der Rückgriff auf Pearl Harbor als sinnstiftende Rahmenerzählung zu Verarbeitung der Ereignisse des 11. Septembers so reibungsfrei verlaufen konnte. Das Gleichnis mit dem japanischen Angriff auf die US-Marinestation vom 7. Dezember 1941 ist bis heute in den kulturellen Repräsentationen von „9/11“ wiederzufinden. So stehen nicht nur ihre als ikonisch geltenden Bilder in frappierender Nähe zueinander, sondern auch in ihren strukturellen Abläufen lassen sich beide Ereignisse auf eine Eben stellen: beides sind Luftangriffe, sie sind verursacht durch einen von außen kommenden Aggressor, sie stellen die Normalität des Alltages auf den Kopf, sie verändern die bis dato existente gesellschaftliche Ordnung in den USA und verletzen das Sicherheitsempfinden der angegriffenen Nation. Obgleich sie sich im Charakter und der Tragweite stark voneinander unterscheiden mögen, so ist es doch nicht zuletzt die psychische Dimension beider Angriffe, die sie miteinander verbindet. Kulturwissenschaftlich werden beide Ereignisse daher vor allem als kulturelles, nationales oder kollektives Trauma diskutiert. Doch sie sind auch materielle Grundlage der Erzähldiskurse nationaler Identität. Diese Arbeit spürt daher der Frage nach, welchen Stellenwert dem Krieg auslösenden Angriff Japans auf Pearl Harbor für die nationale Identität der USA zukommt, und warum sechzig Jahre später, die Erinnerung an „Pearl Harbor“ eine „sinnstiftende Erklärung“ für das nationale Trauma des 11. September 2001 wird?
‚Pearl Harbor’ und ‚9/11’ werden hier als nationale Traumata verstanden, die medial produziert sind. In dieser Form bestärken sie den Charakter der Nation und befördern eine Erzählhaltung, die den durch die Ereignisse verursachten Riss im nationalen Gewebe positiv und sinnstiftend schließt. Wie ihre Geschichte eine multikulturelle Gesellschaft zu einen vermag und über Generationen hinweg ein Massenpublikum erreicht, ist Untersuchungsgegenstand und zentrale Fragestellung der Arbeit. Da das Kino gemäß David Slocum als sozialisierende Institution zu verstehen ist, untersucht diese Arbeit zur Klärung ihrer Leitfragen massenmediale Texte wie December 7th, Tora!Tora!Tora!, Pearl Harbor, United 93, The Kingdom, Body of Lies und weitere Blockbuster auf die Darstellung nationaler Selbstbilder, die Erzeugung heterostereotyper Feindbilder und die Narration eines nationalen Traumas.
Die Arbeit erkennt, wie die untersuchten Filmbeispiele bei der Bedeutungsproduktion ein wechselseitiges Bezugssystem ausbilden und einen Wiederholungszwang kennzeichnen. Weiterhin wird deutlich wie die Ästhetik und narrative Praxis der massenmedialen Texte „Pearl Harbor“ und „9/11“ als erinnerungswerte Ereignisse markieren sowie die mit der Erinnerung und den Medienbildern verbundenen negativen Affekt in eine sinnstiftende Richtung lenken. Die Filme zeigen hierin einerseits die mediale Gemachtheit von ‚Pearl Harbor’ und ‚9/11’ als kulturelle Traumata an sowie die Darstellungen von Selbst- und Feindbildern. Mit diesen Bildern entstehen national erfahrbarer Raum und Zeit. Kurzum eine Vergangenheit, die niemals Gegenwart war. Damit wird ‚Pearl Harbor’ und ‚9/11’ nicht per se als traumatisch geschlussfolgert, sondern als ein retrospektiv medial und folglich in einem sozialen Prozess als traumatisch konstruiert.

Kurzfassung in englisch

Does not apply

Universität: Technische Universität Chemnitz
Institut: Professur Amerikanistik (auslaufend zum 31.03.2018)
Fakultät: Philosophische Fakultät
Dokumentart: Dissertation
Betreuer: Keitel, Evelyne (Prof. Dr.)
ISBN/ISSN: 978-3-8376-1742-9
Quelle: Bielefeld : transcript, 2011. - 255 S
Freie Schlagwörter (Deutsch): Traumatheorie, kollektive Erinnerungen, Pearl-Harbor-Neurose, Heterostereotype, Andersartigkeit, das Fremde
Freie Schlagwörter (Englisch): trauma theory, collective memory, Pearl Harbor neurosis, heterostereotypes, the other, othering
Tag der mündlichen Prüfung 23.06.2010

 

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