Eintrag in der Universitätsbibliographie der TU Chemnitz
Volltext zugänglich unter
URN: urn:nbn:de:bsz:ch1-qucosa2-906506
Hensch, Ann-Christin
Krems, Josef F. (Prof. Dr.) ; Petzoldt, Tibor (Prof. Dr.) (Gutachter)
Predictable and intuitive interactions between automated vehicles and manual road users in shared spaces
Vorhersehbare und intuitive Interaktionen zwischen automatisierten Fahrzeugen und manuellen Verkehrsteilnehmenden in Shared Spaces
Kurzfassung in deutsch
In den letzten Jahren ist ein immer größerer Anstieg automatisierter Fahrfunktionen zu verzeichnen. Mit der Einführung von automatisierten Fahrzeugen (AF) gehen allerdings nicht nur Vorteile, sondern auch potentielle Herausforderungen hinsichtlich der Interaktion mit anderen Verkehrsteilnehmenden einher. Beispielsweise werden ein potentiell abweichender Fahrstil von AF, sowie die Veränderung der FahrerInnenrolle und daraus resultierende veränderte Interaktionen mit umgebenden Verkehrsteilnehmenden in der Literatur diskutiert.Besonders in Shared Spaces, wie auf Parkplätzen, in denen verschiedene Verkehrsteilnehmende auf beschränktem Raum miteinander agieren, es allerdings nur begrenzte gesetzliche Regelungen gibt, sind Interaktionen und die Koordination von Manövern notwendig. Hierfür setzen Verkehrsteilnehmende verschiedene Kommunikationssignale ein. Gegeben der genannten Herausforderungen ergibt sich für AF der Forschungsbedarf, wie zukünftige Interaktionen mit umgebenden Verkehrsteilnehmenden intuitiv und vorhersehbar gestaltet werden können. Das Ziel dieser Dissertation war es deshalb, wissenschaftliche Erkenntnisse zur Gestaltung solcher potentiellen Interaktionen beizutragen. Die Arbeit besteht aus drei wissenschaftlichen Artikeln, sowie einer vorangestellten Synopse, in der theoretische Grundlage dargelegt, wesentliche Ergebnisse der Artikel aufgegriffen und diskutiert, theoretische und praktische Implikationen abgeleitet werden.
Interaktionen im Straßenverkehr werden häufig durch räumliche und zeitliche Lücken im Verkehrsfluss koordiniert. Spezifische Fahrparameter manueller Fahrzeuge (MF) könnten quantifiziert und als Orientierung für intuitive und vorhersehbare AF-Fahrfunktionen genutzt werden. Deshalb beschäftigte sich der erste Artikel mit akzeptierten Lücken im Verkehrsfluss als spezifischer Fahrparameter. In einer Laborstudie wurde die Lückenwahl für das Manöver vorwärts Einparken auf einem Parkplatz mit verschiedenen heranfahrenden Interaktionspartnern aus FahrerInnenperspektive untersucht. Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass MF nicht die eine zeitliche Lücke für die Initiierung eines Parkmanövers im Verkehrsfluss wählten, sondern verschiedene Faktoren wie die Größe und Geschwindigkeit eines heranfahrenden Interaktionspartners diese Entscheidung beeinflussten. Zur Unterstützung von intuitiven und vorhersehbaren Interaktionen sollten solche spezifische Einflussfaktoren zukünftig auch in AF-Fahrfunktionen implementiert werden. Diese könnten eine verbesserte Antizipation von AF-Fahrverhalten durch umgebende Verkehrsteilnehmende ermöglichen. Außerdem könnten AF dadurch bevorstehende Manöver von MF verbessert antizipieren.
Um potentiellen Interaktionsherausforderungen zu begegnen, beschäftigt sich die Forschung außerdem mit LED-Lichtleisten, die perspektivisch zusätzliche Kommunikationssignale in AF präsentieren könnten. Da diese Lichtleisten abstrakte Signale präsentieren, beschäftigt sich der zweite Artikel der Arbeit mit der Bewertung solcher Signale als zusätzliches Kommunikationsmittel in AF. Es wurde eine Feldstudie durchgeführt, in der ein AF simuliert wurde. Auf dem Dach des Testfahrzeuges war eine LED-Lichtleiste angebracht, die umgebenden FußgängerInnen verschiedene Kommunikationssignale präsentierte. Die ProbandInnen beurteilten die untersuchten Lichtsignale generell als unverständlich, wodurch diese Signale ohne bereitgestelltes Vorwissen keinen Mehrwert zur Vorhersehbarkeit der Verkehrssituation lieferten. Allerdings konnten die Ergebnisse der Studie ein allgemeines Potential für Lichtsignale als Kommunikationsmittel in AF aufzeigen, da die ProbandInnen deren generellen Einsatz in AF als nützlich bewerteten.
Der dritte Artikel beschäftige sich mit dem Einfluss von Interaktionserfahrung und den Auswirkungen von Fehlfunktionen zusätzlicher Lichtsignale als potentielles Kommunikationsmittel in AF (d.h. ein Widerspruch zwischen den eingesetzten Lichtsignalen und den Fahrzeugbewegungen als Kommunikationssignal) auf deren Bewertung. In einer Laborstudie bewerteten die ProbandInnen die untersuchten Signale aus FußgängerInnenperspektive in einem Parkplatzsetting. Die Bewertungen des Systems stiegen nach kurzen Interaktionssequenzen an, nach erlebten Systemfehlern sanken diese ab. Die Ergebnisse verdeutlichen die Relevanz einer adäquaten Systembeurteilung. Einerseits sollte die Bewertung des Systems dessen Nutzung ermöglichen, um potentielle Vorteile auszuschöpfen. Andererseits sollten aber auch andere Kommunikationssignale, wie Fahrzeugbewegungen, weiterhin als Informationsquelle in Interaktionen berücksichtigt werden, um potentiell sicherheitskritischen Situationen im Fall von Systemfehlfunktionen vorzubeugen. Da FußgängerInnen über 65 Jahren im Straßenverkehr durch altersbedingte Beeinträchtigungen besonders gefährdet sind, untersuchte die Studie außerdem Unterschiede in der Bewertung des Systems zwischen jüngeren (18 – 40 Jahren) und älteren ProbandInnen (≥ 65 Jahren). Generell bewerteten ältere ProbandInnen das System positiver als Jüngere. Allerdings passten Ältere ihre Systembewertung im Fall von erlebten Fehlfunktion auch weniger an, was besonders hohe sicherheitskritische Auswirkungen haben könnte, z.B. hinsichtlich längerer Reaktionszeiten auf nicht erwartete Fahrzeugbewegungen bei fehlerhaften Lichtsignalen.
Insgesamt unterstreichen die Ergebnisse der Dissertation die Notwendigkeit einer menschzentrierten Produktenwicklung in Bezug auf die Implementierung spezifischer Fahrparameter, sowie potentieller zusätzlicher Lichtkommunikationssignale in AF. Konkret zeigen die Ergebnisse, dass verschiedene Einflussfaktoren für vorhersehbare und intuitive AF-Fahrparameter berücksichtigt werden sollten. Außerdem konnte gezeigt werden, dass zusätzliche Lichtsignale in AF ein generelles Potential zur Unterstützung zukünftiger Interaktionen im Straßenverkehr haben. Nachfolgende Forschung sollte weitere Verkehrsszenarien und Einflussfaktoren auf Interaktionen im Straßenverkehr und AF untersuchen, sowie die Bedürfnisse spezifischer NutzerInnengruppen genauer beleuchten. Insgesamt kann die Arbeit dazu beitragen, Anforderungen und Voraussetzungen für vorhersehbare und intuitive Interaktionen in AF besser zu verstehen. Verschiedene theoretische Konzepte und Annahmen der Mensch-Maschine-Interaktion im Allgemeinen können auch auf AF und Lichtsignale als potentielles zusätzliches Kommunikationsmittel angewendet werden. Weiterhin können aus den Ergebnissen der Dissertation verschiedene Strategien und praktische Maßnahmen für die Gestaltung von vorhersehbaren und intuitiven AF-Interaktionsverhalten mit manuellen Verkehrsteilnehmenden abgeleitet werden, welche sich positiv auf die Nutzung und Akzeptanz von AF auswirken könnten.
Universität: | Technische Universität Chemnitz | |
Institut: | Forschergruppe Allgemeine Psychologie und Arbeitspsychologie | |
Fakultät: | Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften | |
Dokumentart: | Dissertation | |
Betreuer: | Krems, Josef F. (Prof. Dr.) | |
URL/URN: | https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:ch1-qucosa2-906506 | |
SWD-Schlagwörter: | Psychologie , Verkehrspsychologie , Autonomes Fahrzeug , Fußgänger , Shared space , Mensch-Maschine-Schnittstelle | |
Freie Schlagwörter (Englisch): | Automated driving , Manual road users , Shared spaces , Human-machine interaction , Holistic HMI | |
DDC-Sachgruppe: | Psychologie | |
Sprache: | englisch | |
Tag der mündlichen Prüfung | 06.02.2024 |