Interspezies-Ethik
Der modus vivendi inter-organismischer semiotischer Milieus
DOI:
https://doi.org/10.14464/zsem.v37i3-4.372Schlagworte:
Kommunikation zwischen Tieren, Signal, Pheromone, Primatologie, Menschenaffen, Symbiose, Interspezies-Kommunikation, Semiosphäre, Biosemiose, Biosemiotische Ethik, Ökosysteme, ÖkosemioseAbstract
Die Biosemiotik postuliert, dass die Signalgebung zwischen Organismen einen komplexen Prozess darstellt, der sich oft gleichzeitig auf vielfältigen Kanälen abspielt. So vermitteln beispielsweise olfaktorische pheromonische Hinweise, auditive Vokalisationen sowie visuelle Bewegungen und Muster allesamt wichtige Einzelelemente einer beabsichtigten oder tatsächlich überbrachten Nachricht. Ebenso ist bekannt, dass die Kommunikation zwischen Artgenossen mancher Spezies von anderen Spezies „abgehört“ wird (so reagieren etwa Primaten auf Vögel, die plötzlich auffliegen und damit das potentielle Annähern eines gemeinsamen Fressfeindes signalisieren), selbst wenn das ursprüngliche Signal nicht eigentlich an sie gerichtet war. Absichtsvolles interspezifisches Signalisieren ist ebenfalls verbreitet, so signalisieren etwa Hasen Füchsen ihre Anwesenheit, wenn sie sich sicher genug fühlen, um ihnen die Energieverschwendung einer unnützen Jagd zu ersparen. Durch die Absonderung flüchtiger organischer Verbindungen weisen Pflanzen auf einen Insektenbefall hin, wodurch andere Insektenarten herbeigerufen werden, die die Pflanze vom Befall befreien. Absichtliche und unabsichtliche symbiotische Semiosen sind das Ergebnis von Interaktion zwischen beteiligten Spezies über viele Generationen hinweg, wodurch sich Spuren in der Semiosphäre bilden, in denen sich überschneidende Umwelten von Organismen die Möglichkeit für ethisches Handeln eröffnen. Aufgrund der eher eingeschränkten semiotischen Bandbreite, welche die Interspezies-Kommunikation berührt, postuliere ich, dass Interspezies-Semiose stärker von generationenübergreifenden Bedeutungsfestlegungen geprägt und weniger improvisiert ist als Signale unter Artgenossen. Während westliche Ethiken traditionellerweise die Wertschätzung ethischer Geschehnisse an den Grad ihrer Freiwilligkeit knüpfen, verlangt eine nicht-menschliche Interspezies-Ethik die Berücksichtigung pluraler ethischer Kontexte, die auf speziesspezifischen und interspezifischen semiotischen Konzepten beruhen. Dass die Signalgebung vieler Organismen überwiegend genetischen Ursprungs ist, heißt nicht zwangsläufig, dass ihrem Zusammenleben ein geringerer ethischer Wert beizumessen ist, als sich aus flexibleren semiotischen Interaktionen ergeben würde.
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