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Eintrag in der Universitätsbibliographie der TU Chemnitz

Volltext zugänglich unter
URN: urn:nbn:de:bsz:ch1-qucosa2-337141


Ackermann, Claudia
Krems, Josef F. ; Baumann, Martin (Gutachter)

Analysing Pedestrian-Vehicle Interaction to Derive Implications for Automated Driving


Kurzfassung in deutsch

Bereits heute verfügen Fahrzeuge über hoch entwickelte Technologien und automatisierte Funktionen, die den Fahrer in verschiedensten Verkehrssituationen unterstützen (z.B. Spurhalteassistent). Der Trend zur Fahrzeugautomatisierung wird sich höchstwahrscheinlich fortsetzen und Fahrzeuge mit höheren Automationsgraden bis hin zur vollständigen Automatisierung werden einen bedeutenden Teil des zukünftigen Verkehrssystems repräsentieren. Das Verkehrssystem wird für lange Zeit ein gemeinsamer Raum von automatisierten und nicht-automatisierten Fahrzeugen sein. Während dieser Zeit des gemischten Verkehrs, wird die Kommunikation zwischen allen Arten von Verkehrsteilnehmern eine wichtige Herausforderung für automatisierte Fahrzeuge darstellen. Diese Dissertation konzentriert sich daher auf Kommunikationsszenarien zwischen Fußgänger und zukünftig automatisierten Fahrzeugen, mit dem Anspruch Interaktionen komfortabel zu gestalten.
Das erste Ziel der Arbeit besteht darin, das aktuelle Fußgängerverhalten in kooperativen Verhandlungssituationen mit nicht-automatisierten Fahrzeugen zu analysieren. Daher wurde eine Beobachtungsstudie durchgeführt, um Interaktionstypen und Parameter zu untersuchen, die zur Ableitung von Implikationen für das automatisierte Fahren verwendet werden können. In dieser Studie wurden 121 Interaktionssequenzen annotiert und mittels typenbildender Inhaltsanalyse untersucht, um spezifische Interaktionstypen zu identifizieren. Diese Interaktionstypen wurden anhand der Parameter Kopfbewegung und Gehverhalten der Fußgänger unterschieden. Als Ergebnis wurden drei Arten der Interaktion gefunden (ausreichende visuelle Absicherung, häufige visuelle Absicherung und geringe visuelle Absicherung). Als Schlussfolgerung wurde die Rolle der Parameter Kopfbewegung und Gehverhalten sowie die Interaktionstypen bezüglich ihrer Implikationen für Kommunikationstechnologien (z.B. Sensoranforderungen) und Algorithmen für automatisierte Fahrzeuge diskutiert.
Ein automatisiertes Fahrzeug muss zukünftig in der Lage sein, Fußgänger nicht nur sicher zu detektieren sondern zudem mit Fußgängern zu kommunizieren. Hierfür muss eine geeignete Kommunikationsschnittstelle (HMI) vorhanden sein, welche Mechanismen der gegenwärtigen Fußgänger-Fahrzeug-Kommunikation adressiert. Die Gestaltung zusätzlicher HMIs zur expliziten Kommunikation stellt das zweite Ziel dieser Arbeit dar. In einer Kombination aus qualitativen und experimentellen Methoden wurden zuerst die Fußgängerbedürfnisse an HMIs exploriert um darauf aufbauend Gestaltungs- und Bewertungskriterien abzuleiten und zu prüfen. Eine Fokusgruppendiskussion (n = 6) befasste sich mit der Identifizierung von Fußgängerbedürfnissen und -problemen bei der Interaktion mit externen HMIs für automatisierte Fahrzeuge. Hier wurden mehrere Kommunikationsschnittstellen recherchiert und evaluiert. Diesem qualitativen Ansatz folgte eine experimentelle Videosimulationsstudie (n = 25), basierend auf den Ergebnissen der Fokusgruppendiskussion zu Design- und Bewertungskriterien. Für die Videosimulationsstudie wurden HMI-Designs mit Variationen in Position (Windschutzscheibe, Kühlergrill, Straße), Inhalt (Anweisung weiter zugehen vs. Statusinformation des Fahrzeugs) und Codierung (Text vs. Symbol) der Nachricht an den Fußgänger und Art des HMIs (LED Lichtleiste, LED Display, Projektionen) erstellt. Diese wurden von 25 Probanden anhand der Kriterien Erkennbarkeit, Eindeutigkeit, Interaktionskomfort und intuitive Verständlichkeit bewertet. Die Ergebnisse zeigten, dass direkte Anweisungen zum Überqueren der Straße den Statusinformationen über das Fahrzeug vorgezogen werden und dass großflächige textbasierte Nachrichten vom Fahrzeug zum Fußgänger bessere Ergebnisse liefern. Es werden Gestaltungsempfehlungen für HMIs zur Kommunikation zwischen automatisierten Fahrzeugen abgeleitet und diskutiert, inwieweit externe HMIs informelle Kommunikationsmechanismen wie das Erkennen von Fahrzeugbremsungen ergänzen.
Das dritte Ziel dieser Dissertation besteht darin, zu untersuchen, inwiefern informelle Kommunikationselemente wie Fahrzeugbewegungen für eine komfortable Interaktion zwischen Fußgängern und automatisierten Fahrzeugen genutzt werden könnten. Konkret wurde adressiert, welche Parameter einen Einfluss auf die Erkennung von verschiedenen Fahrzeugbewegungen haben. Dazu wurden im Rahmen dieses Promotionsvorhabens drei experimentelle Studien durchgeführt.
Die erste Studie konzentrierte sich auf die Erkennung von Fahrzeugbeschleunigung und – Verzögerungen im Rahmen einer Videosimulation. Es wurden die unabhängigen Variablen Fahrzeuggeschwindigkeit (20 und 40 km/h), Tageslicht (morgens, abends, abends), Initiierungszeitpunkt der Bewegungsänderung (früh, spät) und Beschleunigungsrate (positiv, negativ, keine) manipuliert. Die Aufgabe der Probanden (n = 33) bestand darin, anzuzeigen, wenn sie Veränderungen in der Bewegung eines sich nähernden Fahrzeuges feststellten. Außerdem mussten die Probanden entscheiden, welche Art von Bewegungsänderung sie wahrgenommen haben (Verzögerung/Beschleunigung). Die Ergebnisse zeigten eine schlechte Erkennungsleistung für die Fahrzeugbeschleunigung. Für Fahrzeugverzögerungen wurden signifikante Ergebnisse für die Verzögerungsrate und die Fahrzeuggeschwindigkeit aufgezeigt. Je stärker die Verzögerung und je niedriger die Geschwindigkeit, desto kürzer die Erkennungszeiten. In der Tageslichtlichtbedingung zeigte sich kein signifikanter Einfluss auf die Detektionsleistung. Der Initiierungszeitpunkt der Verzögerung zeigte signifikante Ergebnisse, jedoch nur für die geringere Geschwindigkeitsbedingung. Die Diskussion befasste sich mit methodischen Einschränkungen sowie mit Wahrnehmungskonstrukten wie der „Tau-Hypothese“ zur Erklärung der Ergebnisse. Als Empfehlung kann abgleitet werden, dass Beschleunigungen für die informelle Kommunikation zwischen automatisierten Fahrzeugen und Fußgängern eher ungeeignet sind. Die Detektion der Verzögerungen zeigte insgesamt zuverlässigere Ergebnisse; daher wurden die Folgestudien auf das Erkennen von Abbremsungen limitiert.
Die zweite Videosimulationsstudie zur informellen Kommunikation befasste sich mit der Erkennung von Bremsungen in der geringen Geschwindigkeitsbedingung (20 km/h). Die Verzögerungsrate wurde als kontinuierliche, unabhängige Variable im Bereich von -3,5 m/s² bis -1,5 m/s² implementiert. Zudem wurden die variable Fahrzeuggröße (groß, mittel, klein) und der Initiierungszeitpunkt der Verzögerung (früh, spät) als weitere unabhängige Variablen variiert. Die Probanden (n = 25) mussten angeben, wann sie eine Bremsung des Fahrzeugs wahrgenommen haben. Die Ergebnisse bestätigten den signifikanten Einfluss der Verzögerungsrate, wie bereits in der voran gegangenen Studie erwähnt. Die Fahrzeuggröße beeinflusste die Detektionsleistung ebenfalls in signifikanter Weise. Dieser Effekt wurde jedoch hauptsächlich durch das große Fahrzeug bedingt. Als eine zentrale Schlussfolgerung ist abzuleiten, dass es wahrscheinlich keine „one-fits-all“ -Lösung für Algorithmen zur Fahrzeugbewegung gibt. Im Umkehrschluss müssen die Variablen Fahrzeuggeschwindigkeit, -Größe und Verzögerungsrate, sowie deren Interaktionen in die Algorithmenentwicklung einbezogen werden, um zuverlässige Erkennungsleistungen und damit adäquate informelle Kommunikation zwischen Fußgängern und automatisierten Fahrzeugen zu gewährleisten.
Um die fehlende Realitätsnähe in den Videosimulationen zu adressieren, wurde ein Feldexperiment zur Erkennung von Abbremsungen durchgeführt. Hierbei kam ein Testfahrzeug mit automatisierter Längsführung auf einer Teststrecke zum Einsatz. Die Variablen Fahrzeuggeschwindigkeit (20 km/h, 30 km/h), Verzögerungsrate (-0,7 m/s², -1,4 m/s², -2,1 m/s²) und Initiierungszeitpunkt der Verzögerung (früh, spät) wurden manipuliert. Die Teilnehmer (n = 23) mussten erneut angeben, wann sie ein Verzögerungsmanöver wahrnahmen. Im Vergleich zu beiden Videosimulationen zeigte sich eine deutliche Reduzierung der Detektionszeit, nahezu unabhängig von der Verzögerungsrate, der Fahrzeuggeschwindigkeit oder dem Beginn der Verzögerung. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass realistische Umgebungen mehrere Informationsquellen zur Verfügung stellen, anhand derer die Fahrzeugverzögerung im Vergleich zur Simulation ermittelt werden kann. Des Weiteren zeigte die Studie, dass die Verzögerung zuverlässig erkannt wurde (selbst bei sehr niedrigen Verzögerungsraten) und unterstützt die Empfehlung, Abbremsungen als informelle Kommunikationsmöglichkeit einzusetzen.

Kurzfassung in englisch

In the near future, more vehicles will have automated functions. The traffic system will probably be a shared space of automated and manually driven vehicles for a long time. During this period of mixed traffic, communication between any types of road users will become an important demand for automated vehicles (AV). This PhD project focuses on vulnerable road users, namely pedestrians, in cooperative situations with AVs to establish comfortable interactions in the future. The first aim is to understand current pedestrian behaviour in cooperative negotiation situations with manual driven cars.
Therefore, an observational study was conducted to explore interaction types and parameters that can be used to derive implications for automated driving. In this study, 121 interaction sequences were annotated using the type-building content analyses to identify specific interaction types. Those interaction types were distinguished by means of the parameters head movement and walking behaviour. As a result, three types of interaction (sufficient visual assurance, frequent visual assurance and poor visual assurance) were found. As a conclusion, the role of the parameters head movement and walking behaviour as well as the interaction types were discussed regarding their applicability for communication technologies and algorithms. Further, the AV has to be capable of communicating with pedestrians and therefore has to establish a suitable compensation for current pedestrian-driver communication. The implementation of additional external communication interfaces is supposed to challenge this problem, which leads to the second aim of this thesis: pedestrian needs, and design and assessment criteria for communication interfaces.
A focus group discussion (n = 6) addressed the identification of pedestrian needs and concerns when interacting with Human-Machine Interfaces (HMI) in automated driving. Here, several communication interfaces were evaluated in order to implement smooth and comfortable communication. This qualitative approach was followed by an experimental video simulation study (n = 25) based on the results of the focus group discussion regarding design and assessment criteria. For the video simulation study, HMI designs were created with variations in position, type and coding of the message, and technology. These were assessed by 25 subjects according to evaluation criteria concluded from the focus discussion: recognisability, unambiguousness, interaction comfort and intuitive comprehensibility. The results showed that direct instructions to cross the street are preferred over status information about the vehicle, and that large-scale text-based messages from the vehicle to the pedestrian deliver better results. Design recommendations for HMIs for communication between automated vehicles are derived, and the extent to which external HMIs may supplement informal communication strategies such as vehicle movement or braking manoeuvres is discussed. As a conclusion, the third aim of this PhD project addressed whether informal communication cues in terms of vehicle movement could be suitable for pedestrian-AV communication. Therefore, the detection performance of different vehicle movements as well as several parameters such as deceleration rate were brought into focus.
To address the applicability of informal pedestrian-AV communication, three experimental studies were carried out within this PhD project. The first study focused on the detection of both vehicle acceleration and deceleration. A video simulation was conducted regarding the independent variables vehicle speed (20 and 40 km/h), daylight (morning, dusk, evening), onset time regarding the change of movement (early, late) and acceleration rate (positive, negative, none) were varied. The task of the participants (n = 33) was to indicate by pressing a button when they detected changes in the approaching car movement. Furthermore, they had to decide what kind of movement it was (deceleration/acceleration). Results showed a bad detection performance for vehicle acceleration, so there were no further inferential analyses on that variable. For vehicle decelerations, significant results were revealed for deceleration rate and vehicle speed. The higher the deceleration rate and the lower the speed, the shorter detection times. The variable daylight did not reveal a significant influence on detection performance. The onset of deceleration showed significant results regarding the 20 km/h speed condition, which is however confounded by the interaction with deceleration rate. The discussion addressed methodological limitations, as well as perceptional constructs, such as the “Tau-Hypothesis” to explain the results. As recommendation, accelerations are probably not a suitable informal communication cue. The detection of deceleration showed better results, thus the subsequent studies focused in more detail on deceleration.
The second video simulation study regarding informal communication cues addressed the detection of deceleration using only the lower speed condition (20 km/h). The deceleration rate was adjusted to a continuous variable ranging from -3.5 m/s² to -1.5 m/s². Further, the variable vehicle size (large, medium, and small) and the onset of deceleration (early, late) were varied. Participants (n = 25) had to indicate, when they perceived a deceleration. Results confirmed the significant influence of deceleration rate, as mentioned in the study before. Further, the onset of deceleration as well as an interaction of deceleration rate and onset of deceleration were again found to reveal significant results. Vehicle size also influenced the detection performance in a significant way. Nevertheless, this effect was mainly driven by the large vehicle. As a main conclusion, there is probably no “one-fits-all” solution for the AV deceleration algorithm that is always perceived properly. Limitations of the study as well as aspects of comfortable deceleration from the perspectives of both pedestrians and drivers were taken into account.
The third study regarding informal communication addressed a major limitation of the video simulations mentioned above, namely the lack of realism. Therefore, a realistic field study using a vehicle with automated longitudinal control was conducted. The variables vehicle speed (20 km/h, 30 km/h), deceleration rate (-0.7 m/s², -1.4 m/s², -2.1 m/s²) and onset of deceleration (early, late) were manipulated. The participants (n = 23) again had to indicate when they perceived a deceleration manœuvre. Compared to both video simulations, a clear reduction of detection time was revealed, almost regardless of deceleration rate, vehicle speed or onset of deceleration. This result supports the assumption that realistic environments provide more information sources which can be used to detect vehicle deceleration compared to the simulation. Further, the study showed that deceleration was detected reliably (even for very low deceleration rates) and supports the use of this form of vehicle movement as the recommended informal communication cue. For AV technology it can be confirmed that smooth and early deceleration would be suitable for the perception of deceleration which also supports the aim of comfortable interactions both for pedestrians and drivers/passengers.

Universität: Technische Universität Chemnitz
Institut: Forschergruppe Allgemeine Psychologie und Arbeitspsychologie
Fakultät: Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften
Dokumentart: Dissertation
Betreuer: Krems, Josef F.
URL/URN: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:ch1-qucosa2-337141
SWD-Schlagwörter: Fahrzeug , Automation , Interaktion , Kommunikation , Psychologie
Freie Schlagwörter (Deutsch): Automatisiertes Fahren , Fußgänger-Fahrzeug-Interaktion , implizite und explizite Kommunikation
Freie Schlagwörter (Englisch): automated driving , pedestrian-vehicle-interaction , implicit and explicit communication
DDC-Sachgruppe: Psychologie
Sprache: englisch
Tag der mündlichen Prüfung 25.01.2019

 

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